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DIMs, SIMs, der Protectometer und Schmerz

By Timothy Cocks Education for all, Language: Deutsch, Language: Deutsch 30 Jan 2018

Gerti Bucher-Dollenz, a long time NOI Instructor in our German faculty, has very kindly translated one of our most read NOI Notes into German (Read original English post here). If you are a German speaking noijam follower, please enjoy, if not, you may have a friend who is, with whom you could share this with. Our thanks to Gerti for this work.

Nach der Veröffentlichung des Buches “Explain pain” (Schmerzen verstehen) im Jahr 2003 kam bald der Ruf nach einer “einfacheren und kürzeren Version für Patienten”.

Lorimer Moseley und David Butler haben nun nach jahrelangen diskutieren und experimentieren das Handbuch zu “Schmerzen verstehen”, den Protectometer, geschaffen. Demnächst wird auch die deutschsprachige APP des Protectometers zur Verfügung stehen.

Vorstellung des “Schmerzen verstehen” Handbuches und der APP: Protectometer (Protectometer = Schutz-gradmesser ob das Gefühl von Sicherheit oder von Gefahr überwiegt)

Der Protectometer ist ein interaktives Tool für Schmerzpatienten. Er basiert auf einem neuen revolutionären Konzept: den DIMs und SIMs.

Auf Grund des derzeitigen Verständnisses über die Schmerzphysiologie können wir folgende Aussagen machen:

Schmerzen entstehen, wenn das subjektive Gefühl der Bedrohung größer ist als das subjektive Gefühl in Sicherheit zu sein.

Schmerzen entstehen nicht, wenn das subjektive Gefühl in Sicherheit zu sein größer ist als das subjektive Gefühl in Gefahr zu sein.

 (Moseley and Butler 2015, pp14).

In dieser “einfachen” Aussage steckt so viel Kraft. Lorimer sagt “es ist eigentlich so einfach und doch so kompliziert”. Es gibt eine Vielzahl von “Gefahren” in unserem Leben und sie stammen aus verschiedenen Bereichen. Einige Beispiele dafür sind Röntgenberichte oder was jemand zu einem sagt oder was man glaubt zu wissen oder in den Nachrichten hört. Auf der anderen Seite gibt es auch eine Vielzahl von “Sicherheiten” – so zum Beispiel richtiges Wissen, Ziele haben, Hilfe durch gute Gesundheitsmanager oder sich bewusst sein, dass man von jemanden geliebt wird.

DIMs und SIMs    

Wir bezeichnen die Gefahr, die wir erfahren als DIM und die Sicherheiten als SIM.

DIM = Danger in me (was empfinde ich als Bedrohung?)

SIM = Safety in me (was gibt mir Sicherheit?)

Jeder DIM oder SIM beinhaltet verschiedene Kontextvariablen und aktiviert neuroimmunologische Regelkreise im Gehirn.

Wir haben die DIMs und SIMs in 7 Kategorien unterteilt:

  1. Dinge die Du hörst, siehst, riechst, berührst, schmeckst
  2. Dinge die Du tust
  3. Dinge die Du sagst
  4. Dinge an die Du denkst und Dinge an die Du glaubst
  5. Orte (Umgebung) wo Du Dich befindest oder wo Du hingehst
  6. Menschen die Du triffst oder die Dich umgeben
  7. Dinge die in Deinem Körper passieren

Schau Dir die Beispiele in der Grafik oben an (und füge selbst ein paar dazu). Beachte einige Aussagen sind sowohl bei DIMs als auch bei SIMs aufgelistet. Das ist ganz bewusst so gewählt. Der Kontext in dem man sich gerade befindet, beeinflusst wesentlich ob eine Situation als DIM oder als SIM empfunden wird. Zum Beispiel wenn Du mit einem entzündeten Blinddarm der gerade perforiert ist in einem Krankenhaus liegst, das einen sehr guten Ruft hat, kann das für Dich ein SIM sein. Auf der anderen Seite, wenn Du Dich in einem Krankenhaus befindest, wo bei Deiner letzten Operation etwas schief lief, dann könnte das plötzlich ein DIM sein.

Für viele ist ein dick geschwollenes, blau verfärbtes Sprunggelenk nach einem Inversionstrauma ein DIM. Wenn Du jedoch über das Wissen verfügst, dass Dein Körper eine wunderbare Selbstheilungsfähigkeit besitzt, und dass die Entzündung ein wichtiger Teil dieser Wundheilungsphase ist und Du gut informiert bist wie lange die Wundheilung in der Regel dauert, kann auf Grund dieses Wissens aus einem DIM ein SIM werden. Anhand dieses Beispiels können wir sehen wie wichtig die Wissensvermittlung in der Behandlung unserer Patienten ist.

DIMs, SIMs, der Protectometer und Schmerz

Die vorhandenen DIMs und SIMs werden auf dem Protectometer eingetragen (siehe Abbildung unten).

Sind mehr DIMs vorhanden oder haben sie einen starken Einfluss, dann bewegt sich der Indikator des Protectometers nach oben. Sind die SIMs stärker ausgeprägt, bewegt sich der Indikator nach unten. Das obere Drittel des Protectometers hat eine Schmerzskala von 0-10. Diese Skala veranschaulicht, dass ab einem bestimmten DIM Level die jeweilige Person eine Schmerzwahrnehmung zu konstruieren beginnt. Die Schmerzskala zeigt auch, wie die wachsende Gefahr (wenn DIMs von verschiedenen Kategorien zusammen auftreten) die Schmerzempfindung weiter verstärken kann. Besonders wichtig ist auch die “Warnzone” – die Zone zwischen 0 und 1 der Schmerzskala, dort wo sogar ein geringer DIM die jeweilige Person in eine Schmerzempfindung kippen kann. Im Handbuch “Protectometer” und in unseren Kursen “Schmerzen verstehen” erklären wir diesen Prozess in wesentlich mehr Detail.

Die Kraft des Protectometer

Die Benützung des Protectometers ermöglicht es dem Patienten und dem Therapeuten verschiedene Dinge bewusst zu machen – DIMs und SIMs – die kollektiv die Schmerzerfahrung beeinflussen.

Die daraus resultierende Therapie erscheint einfach – entferne möglichst viele DIMs und finde bzw. stärke die SIMs.

Aber DIMs und SIMs sind nicht immer so offensichtlich, manchmal sind sie versteckt und schwierig zu finden – dazu braucht es manchmal eine bewusste Selbstreflexion. Wir Therapeuten können den Patienten dabei helfen.

Der Protectometer beinhaltet einen sehr feinen aber potenten Behandlungseffekt – die Möglichkeit des vertieften Verständnisses und der gesamthaften Rekonzeptualisierung von Schmerz mit dem Potential für einen lebenslangen Nutzen.

Der Protectometer ist nur ein wichtiger Teil– es gibt noch viel mehr. Neben Schmerz verfügt unserer Körper über weitere Schutzsysteme z.B. das Immunsystem, das motorische System, unsere Gedanken und unsere Sprache und wir sollten wissen wie diese die Schmerzwahrnehmung beeinflussen. Mit Hilfe des Protectometers können wir die wunderbare Bioplastizität des Gehirns beschreiben und damit verbundene Behandlungsstrategien aufzeigen.

Das Prinzip der DIMs und SIMs kann leicht und rasch in der Praxis umgesetzt werden. Probiere es einfach mal aus!

– David Butler and Tim Cocks

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Übersetzt von Gerti Bucher-Dollenz

Gerti Bucher-Dollenz schloss ihre Physiotherapieausbidlung 1983 in Österreich ab. Ihren MAS in Manipulativer Physiotherapie absolvierte sie an der University of South Australia in Adelaide. Gerti unterrichtet manuelle Therapie und Neurodynamik seit vielen Jahren in verschiedenen europäischen Ländern. Aufgrund ihrer Unterrichtstätigkeit absolvierte sie eine zusätzliche Ausbildung in Pädagogik, die sie 2008 mit einem MAS in Educational Design an der Kalaidosfachhochschule in Zürich abgeschlossen hat.

Neben ihrer Unterrichtstätigkeit arbeitet Gerti als Physiotherapeutin in ihrer eigenen Privatpraxis in der Schweiz. Gerti co-publizierte ein Buch über manuelle Therapie mit dem Titel “Therapiekonzepte in der Physiotherapie” (Thieme Verlag). Ihre speziellen Interessen gelten der manuellen Therapie, Neurodynamik, Schmerzwissenschaften, chronisches Schmerzmanagement, Neurowissenschaft des Lernens und Klettern.

Kurse in Deutschland, Österreich und der Schweiz

comments

  1. Nathan

    Danke für deine Arbeit Liebe Gertie. ich schätze sie seit dem Moment als du als Supervisorin in meine Praxis in Vaduz kamst. Etwa vor 15 Jahren? Ich habe explain pain sp durchgeackert und arbeite damit .für manche mit mit der App für andere Klassisch mit Zetteln Stift und Tagebuch. Cya.

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